Nebenbeschäftigungen von ETH-ProfessorInnen – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 26. Juni 2014 Als die WOZ erfolgreich die Herausgabe von Verträgen der beiden ETHs mit Lehrstuhlstiftern verlangte (siehe WOZ Nr. 19/2014), wollte sie noch mehr wissen: Das Akteneinsichtsgesuch umfasste auch Listen von Nebenbeschäftigungen, die die ProfessorInnen beider ETHs gegenüber ihrer Schulleitung deklariert haben. Nun liegen die Listen vor.
Rezension von Partizipation in der Wissenschaft – Eine neue Studie belegt, wie eng verflochten Politik und Konzerninteressen in Deutschland sind – auch im Forschungs- und Bildungsbereich. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 26. Juni 2014
Andreas Hirstein, Wissenschaftsredaktor der NZZ am Sonntag, plädierte im Bulletin des Schweizerischen Klubs für Wissenschaftsjournalismus vom April gegen kritischen Wissenschaftsjournalismus. Hirsteins Editorial ist eine Bankrotterklärung: eine Replik. – Bulletin des Schweizerischen Klubs für Wissenschaftsjournalismus Nr. 2 (Juni) 2014. «Wenn Journalisten die Qualität einer Forschungsarbeit kritisieren, wird es sehr schnell peinlich», schrieb Kollege Andreas Hirstein im letzten Bulletin. «Relevant ist diese Kritik für den Wissenschaftsbetrieb nicht, wahnsinnig originell auch nicht und der Realität in den Labors wird sie nicht gerecht. Dafür ist sie billig und ziemlich klugscheisserisch und sie trifft fast nie den Kern.»
Es ist leicht, Beispiele zu finden, die Andreas Recht geben – ich denke an die Legion der Klimawandel-Zweifler. Und für Ausfälle à la «Weltwoche» («Vor diesen Professoren wird gewarnt» im Herbst 2012 oder jüngst: «Propaganda Academica») würde ich gröbere Wörter brauchen als «klugscheisserisch» – hier übt sich die «Weltwoche» in dem, was unser amerikanischer Kollege Chris Mooney für sein Land «The Republican War on Science» (Cambridge MA: Basic Books, 2005) nennt. Aber setze ich mich zwangsläufig mit Wissenschaftsfeinden ins selbe Boot, wenn ich Wissenschaft kritisch begleite und ihre Qualität bewerte? Was haben Schweizer Hochschulen zu verbergen? «Transparenz» ist ein Zauberwort im modernen Hochschulbetrieb. Aber wie halten es Schweizer Universitäten, wenn man wissen will, was sie nicht sagen wollen? Wenn man es genau wissen will, entpuppt sich das Zauberwort als leeres Bekenntnis. Seit den 1990er Jahren befindet sich die Hochschullandschaft im Umbruch. Die universitären Hochschulen sind «autonom» geworden und sollen mehr Gelder aus privaten Quellen einwerben: So will es die Politik.
Mit einer teilweise privaten Wissenschaftsfinanzierung – wie mit dem Umstand, dass Wissenschafterinnen und Wissenschafter vermehrt für Privatunternehmen tätig sind oder gleich selber Unternehmen gründen – sind Chancen verbunden, aber es besteht auch das Risiko von Interessenkonflikten. Transparenz könnte das Risiko reduzieren: Deshalb verlangen zahlreiche Wissenschaftsjournale von ihren Autorinnen und Autoren, allfällige Interessenbindungen offenzulegen (ob sie es tun, steht auf einem anderen Blatt). Mein Artikel über die Beziehungen der ETH Lausanne (EPFL) zu Nestlé und die Publikation des Geheimvertrags in der WOZ vom 16. Mai 2014 hat teils heftige Reaktionen ausgelöst. Eine kleine Presseschau.
Wenn man vier öffentliche Stellen um Informationen angeht und drei mal angelogen wird, läuft etwas falsch. Dass es sich bei den Stellen um Universitäten handelt, ist besonders stoßend. Vortrag von investigativ.ch-Geschäftsführer Marcel Hänggi am Seminar «Follow the Money!» des Schweizer Klubs für Wissenschaftsjournalismus (SKWJ) am 21. Mai 2014 in Bern* Wissenschafter/innen versuchen, wahre Aussagen über die Welt zu machen. Sie sind dabei der Wahrheit und nichts als der Wahrheit verpflichtet. In unserem heutigen Seminar «Follow the Money» geht es darum, inwieweit dieses Ideal dadurch gestört wird, dass neben der Wahrheitssuche eben auch andere Faktoren – etwa: Geld – wissenschaftliches Handeln leiten.
HOCHSCHUL-SPONSORING – Wie weit dürfen private Geldgeber bei der Berufung von ProfessorInnen mitreden? Die WOZ hat eine Umfrage bei den Schweizer Universitäten gemacht. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 15. Mai 2014 Die ETH Lausanne (EPFL) hat dem Nahrungsmittelkonzern Nestlé ein Vetorecht bei der Berufung zweier ihrer Professoren eingeräumt. Diese Enthüllung der WOZ von letzter Woche wird am 16. Mai für Diskussionen in der nationalrätlichen Wissenschaftskommission (WBK) sorgen (siehe WOZ Nr. 19/2014). Schon länger hat die WBK für ihre Sitzung das Thema der Privatmittel an den Universitäten sowie der Transparenz über diese Mittel traktandiert und VertreterInnen aller Unis und der beiden ETHs zu einem Hearing geladen. WBK-Präsident Matthias Aebischer (SP, Bern) hatte gegenüber der WOZ gesagt, es werde Regeln brauchen, «sollten es die Universitäten und die beiden ETHs übertreiben». Gegenüber Radio SRF wurde er etwas deutlicher: Ein Vetorecht für private Geldgeber bei Berufungen liege nicht drin. EPFL-Präsident Patrick Aebischer sieht darin hingegen kein Problem. Dass ein Geldgeber mitbestimme, sei doch selbstverständlich, und «alle Welt macht das so», sagte er in einem Fernsehinterview mit Radio Télévision Suisse (RTS). Tut sie das wirklich?
Ende 2006 hatte die EPFL bestritten, Nestlé inhaltliche Mitspracherechte einzuräumen. (Bild: Monatge WOZ)
Zwei Monate, nachdem die Uni Zürich ihren Geheimvertrag mit der UBS aufgrund öffentlichen Drucks publiziert hat, müssen auch die ETH Zürich und die ETH Lausanne Verträge mit Lehrstuhlsponsoren offen legen. Der Eidg. Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) hat entsprechende Akteneinsichtsgesuche von mir gutgeheissen. Die ETH müssen zudem offen legen, welchen Nebenbeschäftigungen ihre ProfessorInnen nachgehen.
Das ist ein grosser Schritt für mehr Transparenz. Nebenbeschäftigungen von Wissenschaftern können zu Interessenkonflikten führen. Transparenz schafft Interessenkonflikte zwar nicht aus der Welt, erlaubt der Öffentlichkeit aber, differenziert zu urteilen. Deshalb verlangen führende wissenschaftliche Fachjournale von ihren AutorInnen schon länger, ihre Interessenbindungen zu deklarieren. In den USA forderte 2010 der Direktor der Wissenschafts-Förderagentur NIH, Francis Collins, ein öffentliches Register der Interessenbindungen von ForscherInnen; er drang damit aber nicht durch. >> zu den Akteneinsichtsgesuchen im Detail >> zur Argumentation der beiden ETH sowie des EDÖB Eine kleine Zitatenschau Ende November hat die Uni Zürich ihren Vertrag mit der UBS Foundation bis auf wenige Passagen offen gelegt. Der Inhalt des Vertrags, der der UBS eine weit gehende Präsenz an der Uni Zürich garantiert, hat eine Debatte ausgelöst. Bemerksenswert ist, dass namentlich auch von der Uni Zürich selber ganz neue Töne kommen, seit Rektor Andreas Fischer zurückgetreten ist. Ich habe dazu eine kleine Zitatenschau zusammengestellt: «Sponsoringverträge sind keine einfache Sache, wie wir jetzt erfahren durften. Hier lernen wir gerade dazu. (…) Wir werden als öffentliche Institution auf Verlangen Verträge zur Einsicht bereit stellen.» Otfried Jarren, Rektor der Universität Zürich ad interim, an der Medienkonferenz vom 4. Dezember 2013. «Für mich ist Sponsoring an Universitäten ein Grenzfall. Denn es geht um Leistung und Gegenleistung: Sichtbarkeit und Markenpräsenz. Das ist nicht immer einfach. (…) Ein Sponsoring wie bei der UBS wird es in dieser Form nicht mehr geben.» Otfried Jarren, Rektor der Universität Zürich ad interim, im Interview mit der Schweiz am Sonntag am 8. Dezember 2013.
Der Geheimvertrag – WOZ Die Wochenzeitung vom 28. November 2013 Die Universität Zürich wehrte sich heftig dagegen, dass ihr Vertrag mit der UBS Foundation offengelegt werden muss. Nun wird klar, weshalb: Die Bank erhält mit ihrem Markenzeichen versehene Räume und garantierten Einfluss am Volkswirtschaftlichen Institut. Die Rekurskommission der Zürcher Hochschulen hat entschieden, dass die Universität Zürich ihren Geheimvertrag mit der UBS Foundation fast vollständig* offenlegen muss (siehe WOZ Nr. 42/2013). Das hat die Uni diese Woche getan. ÖKONOMISIERUNG DER WISSENSCHAFT – Schweizer Hochschulen werden wie Unternehmen im globalen Wettbewerb geführt. Das ist nicht im Sinn der Wissenschaft, warnt der Schweizerische Wissenschafts- und Technologierat. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 14. November 2013 «Die Universität im Ruin», «Wissenschaft in privatem Interesse», «Universität AG. Die Korrumpierung der höheren Bildung» – Bücher, die sich in den letzten fünfzehn Jahren mit dem Zustand der Akademie befassten, lassen ahnen: Da geht die Post ab. Die Wissenschaftslandschaft verändert sich dramatisch. Hierzulande haben das aber erst wenige bemerkt.
Der Schweizerische Wissenschafts- und Technologierat (SWTR), ein Beratungsorgan des Bundesrats, hat nun zwei Berichte zum Thema publiziert und Empfehlungen formuliert – der Inhalt hat es in sich.
Die vorliegende Studie bietet einen Überblick über die wichtigsten Veränderungen im Wissenschaftsbetrieb und illustriert deren Auswirkungen an zahlreichen Beispielen.
Die Studie, herausgegeben von Ueli Mäder und Simon Mutier, erscheint in der Edition Gesowip. 248 Seiten, 15 Franken. Bestellungen: info@gesowip.ch. > Zu meinem Dossier «Wissenschaft und Industrie». Vermehrt versuchen Hochschulen, Forschungsresultate auf dem Markt zu verkaufen. Und Wirtschaftsunternehmen sponsern Lehrstühle auf ihrem Themengebiet. Diese neue Orientierung der Hochschulen birgt Chancen und Gefahren: Inwieweit gibt es Interessenkonflikte? Wo sind die Grenzen der Beteiligung von Auftraggebern? Wie wird die Unabhängigkeit der Forschung gesichert? Sind Sponsorverträge offenzulegen? Die Folgen der neuen Finanzierungsmodelle sind noch wenig untersucht, die Debatten beginnen erst. Wissenschaft und Demokratie – Wir umgeben uns immer mehr mit Dingen, die wir nicht begreifen. Sagt man. Aber stimmt es auch? Und wenn ja: Ist es ein Problem? – Kulturmagazin «Saiten» Oktober 2012 (download PDF) In den Neunziger Jahren wollte eine repräsentative Umfrage die Allgemeinbildung der Bürgerinnen und Bürger Europas testen. Sie fragte unter anderem: Enthalten konventionell (also nicht gentechnisch) gezüchtete Tomaten Gene, ja oder nein? Eine Mehrheit antwortete falsch: Nein. Es war ein Lacher unter Biologinnen und Biologen. Ich weiss von dieser an sich unbedeutenden Umfrage, weil Gentech-Befürworter sie während des Abstimmungskampfs um ein Gentech-Moratorium 2005 gern zitierten. Mit dem Subtext: Hätten die Menschen mehr Ahnung von Biologie, sie würden die Gentechnik weniger fürchten; oder anders rum: Wer nicht weiss, was ein Gen ist, hat auch kein Recht, sich davor zu fürchten. (Heute ist sich auch die Biologie nicht mehr so sicher und genau genommen war sie’s noch nie, was ein Gen ganz genau sei; das nebenbei.) |
AutorMarcel Hänggi, Zürich Themen
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