Zwei Tage später fand sich auf «Telepolis» ein Gegenkommentar: «Abstruse Ideen», war dort zu lesen, «sollten vielleicht doch besser dem Papierkorb anvertraut werden.» Mit einem Hauch von Ironie distanzierte er sich «sine ira et studio» (das bedeutet, ohne Zorn und Eifer, also unparteiisch) vom ersten Kommentar. Das Merkwürdige an der Geschichte? Autor beider Kommentare war der Journalist und Buchautor Harald Zaun.
Manchmal lohnt es sich, auch Theorien ernsthaft zu diskutieren, die vielleicht Unsinn sind – etwa, wenn es um die komplizierten Vorgänge am Cern geht. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 10. Februar 2011 Merkwürdiges trug sich zu, jüngst auf den Seiten von «Telepolis». Am 23. Januar publizierte die Onlinezeitschrift den Text eines Wissenschaftlers, der vor dem Weltuntergang warnte. Begleitet von einem Kommentar, der feststellte, die Thesen des Professors seien zwar Unsinn, allerdings nicht Unsinns genug, als dass es sich nicht lohnte, sie ernsthaft zu diskutieren.
Zwei Tage später fand sich auf «Telepolis» ein Gegenkommentar: «Abstruse Ideen», war dort zu lesen, «sollten vielleicht doch besser dem Papierkorb anvertraut werden.» Mit einem Hauch von Ironie distanzierte er sich «sine ira et studio» (das bedeutet, ohne Zorn und Eifer, also unparteiisch) vom ersten Kommentar. Das Merkwürdige an der Geschichte? Autor beider Kommentare war der Journalist und Buchautor Harald Zaun. Als ich jüngst verhört wurde, weil eine Autofahrerin, die beinahe meine Kinder überfahren hätte, mich verzeigt hatte (mein Schimpfen hatte sie eingeschüchtert), fragte die Polizistin plötzlich: «Hassen Sie Autos?» Nun, ich habe Kinder, bin Fussgänger und Radfahrer – wie käme ich dazu, Autos nicht zu hassen? Aber es gibt Situationen, da sollte man nicht ehrlich sein.
Was geschieht, wenn Wissenschaftsjournalisten plötzlich zu Sportreportern werden – «SKWJ Bulletin» (Mitteilungsblatt des Schweiz. Klubs für Wissenschaftsjournalismus) Nr. 2 / 2009 «Bei einer Kollision entsteht eine Hitze, die bis zu 100000-mal heisser sein wird als die Sonne. In den Detektoren, die die dabei umherspritzenden Teilchen nachweisen sollen, steckt mehr Stahl als im Eiffelturm. Mit den Daten, die sich in den Computern ansammeln werden, lassen sich jährlich 100000 DVDs vollschreiben. Ja! Ja! Ja!»: So parodierte die «Taz» vom 10. September die mediale Aufregung um den Start des LHC und sprach von einem «Wissenschaftsporno». Und der «Spiegel» merkte an, dass aus «Hadron» mittels einfacher Buchstabenvertauschung ein «hard-on» (Erektion) wird.
Kommentar. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 9. September 2010 An zwei von drei Tagen wies die Luft in Lugano diesen Sommer Ozonwerte auf, die über dem Grenzwert lagen – teilweise sogar über dem Doppelten des Grenzwerts. Die Grenzwerte sind in der Luftreinhalteverordnung (LRV) festgeschrieben und verbindlich. Sie dürfen einmal pro Jahr überschritten werden. Eigentlich.
Interview mit dem Technikhistoriker David Edgerton – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 2. September 2010 David Edgerton ist einer der führenden Technikhistoriker. Er ist Professor am Centre for the History of Science, Technology and Medicine am Imperial College in London, das er aufgebaut hat. In seinem Buch «The Shock of the Old» plädiert er dafür, die Geschichte der Technik in erster Linie als eine Geschichte der Verwendung der Dinge zu betrachten statt als eine Geschichte der Innovationen. Und er verweist darauf, dass ein übertriebener Glaube an Innovationen paradoxerweise das Gegenteil von fortschrittlich sein kann: Die Idee, die Technik werde es schon richten, werde beispielsweise in der Klimadebatte gegen die Notwendigkeit sozialen Wandels ausgespielt. – Zuletzt erschienen: «The Shock of the Old. Technology and Global History since 1900», London 2006. Wir müssen von den Kenntnissen profitieren, die sich weltweit über Jahrhunderte gebildet haben, fordert eine kleine, feine Architekturausstellung im Pays-d’Enhaut. «WOZ Die Wochenzeitung» vom 8. Juli 2010. Gemächlich zuckelt der Zug der Montreux-Oberland-Bahn vom Berner ins Waadtländer Oberland. Die Sitze der blauen Schmalspurwagen sind noch mit denselben Kunststoffbezügen verkleidet wie weiland bei den SBB: rot für «Raucher», grün für «Nichtraucher». Unterwegs zu einer Ausstellung, in der es um jahrhundertealte Techniken geht, wird man zuerst einmal von sehr heutigen Bildern überrascht. Entlang der Bahnstrecke zwischen Rougemont und Les Cases hängen riesige Bilder der Architekturfotografin Deidi von Schaewen. Sie zeigen armselige Hütten in afrikanischen Slums, die auf diesen Fotos so gar nicht armselig wirken: zumeist aus Abfällen der Industrie- und Konsumwelt gebaute oder mit solchen verzierte, farbenfrohe Wohngebilde. Mit Effizienzsteigerung allein ist's nicht getan. Rezension von: Peter Hennike und Susanne Bodach: Energierevolution. Effizienzsteigerung und erneuerbare Energien als neue globale Herausforderung. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 24. Juni 2010 An Neuerscheinungen, die einen Kurswechsel in Sachen Energie anmahnen, besteht kein Mangel. Dass dabei mit grossen Worten hantiert wird, ist auch nicht neu. Wenn «Energierevolution» von Peter Hennicke und Susanne Bodach besondere Hoffnungen weckt, so vor allem deshalb, weil es aus dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie kommt – einem Institut, das gute Arbeit leistet und einen politisch bewussten Umweltbegriff pflegt. Umso grösser die Enttäuschung. Was das Buch interessanter macht als andere, ist, dass es den Entwicklungsländern besonderes Augenmerk widmet. Das wars dann aber schon mit der Originalität. Was die Klimaveränderung mit Wissenschaft und mit Wahrheit zu tun hat. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 1. April 2010 «Weisst du, was 1974 im ‹Spiegel› stand?», raunte mir jüngst ein Journalistenkollege zu: Die Gletscher würden wachsen und die Alpen «vereisen», weil die Luftverschmutzung eine globale Abkühlung bewirke (siehe hier). Was der Kollege, der «auch an den Klimawandel geglaubt hatte», natürlich sagen wollte: Gestern fürchtete man eine Abkühlung, heute eine Erwärmung – wer weiss schon, was morgen sein wird?
Das Geschäft mit den CO2-Abgaben ist schwer zu durchschauen. Wie funktioniert er im Detail – und hilft er tatsächlich gegen den Klimawandel? – «NZZ Folio» Nr. 3 (März) 2010 Block 5 des Kraftwerks Hafen in Bremen ist ein mittelgrosses Kohlekraftwerk, das Strom und Wärme für den Westteil der Stadt liefert, die eine halbe Million Einwohner zählt. 2008 pustete Block 5 bei der Energieerzeugung 703 762 Tonnen Kohlendioxid (CO2) in die Luft. Die Zahl ist im Emissionshandelsregister des deutschen Umweltbundesamtes publiziert. Tra Linh 3 ist ein kleines Flusskraftwerk in Vietnam, das dereinst jährlich 14 853 Tonnen CO2 vermeiden soll. Diese Zahl ist zwar einigermassen hypothetisch – das Kraftwerk ist noch gar nicht in Betrieb –, aber für die Stadtwerke Bremen ist sie wichtig: Sie benötigen seit 2005 Berechtigungen, um CO2 ausstossen zu dürfen. Und weil sie in Tra Linh 3 investieren, dürfen sie das dort eingesparte CO2 mit den eigenen Emissionen verrechnen. CO2, ob ausgestossen oder vermieden, ist eine Handelsware. Die Gewissheit, dass der neue Teilchenbeschleuniger des Cern sicher sei, beruht auf dem Bericht einer Cern-internen Arbeitsgruppe. Nun sagt ein Mitglied dieser Arbeitsgruppe, das Resultat der Sicherheitsstudie habe im Voraus festgestanden. Und ein Rechtsprofessor erlaubt sich, den Fall aus juristischer Sicht zu beurteilen. Am Cern ist man nicht erfreut. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 18. Februar 2010 / «Technology Review» online vom 19. Februar 2010 / «Der Standard» vom 24. Februar 2010 Es war der Party-Verderber des Jahres. Im Frühling 2008 bereitete das europäische Kernforschungszentrum Cern bei Genf die Einweihung seines neuesten Teilchenbeschleunigers LHC vor. Doch statt von den schönen Superlativen – größte je gebaute Maschine, ambitionierteste wissenschaftliche Experimente der Geschichte – schrieben die Zeitungen vom Weltuntergang. Der LHC könnte, meinte der deutsche Chaosforscher und theoretische Physiker Otto Rössler, kleine schwarze Löcher erzeugen, die das Zeug hätten, die Erde binnen einiger Monate aufzufressen. Die Verrücktheit dieser Vorstellung in Verbindung mit der Skurrilität des emeritierten Professors gab die perfekte Geschichte. «Versenken Forscher die Erde in einem schwarzen Loch?» fragte «Bild», während die seriöseren Blätter Entwarnung gaben: Schwarze Minilöcher, wenn es sie denn gäbe, seien ungefährlich. Sie stützten sich dabei auf den Bericht der Cern-internen Ad-hoc-Arbeitsgruppe zur Sicherheit des LHC, kurz LSAG.
Maschine bedroht Kinder, Faust bedroht Maschine. Und weshalb die Maschine gewinnt: Am Ende bleibt nur die Kapitulation vor den Realitäten der Macht. – «Velojournal» Nr. 1/2010 Tempo-30-Zone. Ein Auto kommt auf der Gegenfahrbahn auf ein Velo mit zwei Kindern im Anhänger zugerast. Das Auto kann gerade noch rechtzeitig bremsen, der Velofahrer beschimpft die Fahrerin und schlägt auf den Rückspiegel, dessen Verschalung zu Boden fällt.
Achtung, Leserinnen und Leser: Dies ist ein subjektiver Bericht. Es ist eine alltägliche Geschichte über Macht, Demütigung und Disziplinierung im Strassenverkehr. Die Autolenkerin wird bestreiten, dass sie zu schnell gefahren sei, die Zeugen stützen die Sicht des Velofahrers. Eine Polizistin schikaniert den Velofahrer, eine neutrale Stelle wird sie dafür rügen. Der Gelackmeierte ist dennoch der Velofahrer. Der Velofahrer bin ich. Al Imfeld hat ein Buch mit afrikanischen Agrargeschichten geschrieben. Ein Gespräch mit dem Afrikaspezialisten, der am Erscheinungstag dieser WOZ seinen 75. Geburtstag feiert. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 14. Januar 2010 WOZ: Al Imfeld, Sie schreiben mit Ihrem Buch gegen die Vorstellung an, Afrika habe keine eigene Landwirtschaft entwickelt. Doch was spielt es für eine Rolle, ob die Hirse zuerst in Indien oder Afrika kultiviert wurde? Al Imfeld: Das ist wichtig, weil die ganze Auseinandersetzung mit diesem Kontinent ins Rassistische tendiert. Sogar die Afrikaner selbst haben begonnen, zu glauben, alles komme aus dem Osten. Das geht auf die Bibel zurück: Die Zivilisation ging vom Zweistromland aus. Da kommt der Weizen her, und der galt lange als älteste kultivierte Getreideart. Diesen Chauvinismus gilt es zu zerstören. Die Landwirtschaft ist so alt wie der Mensch, er hat sich immer organisiert, um sein Essen zu gewinnen. So umherziehen, da eine Frucht pflücken und dort ein Tier erlegen, das gabs nie ... Blog vom Klimakonferenz Kopenhagen Zürich. Wenn denn da draußen noch jemand ist, der oder die meinen Blog noch verfolgt, hier eine kleine Nachbereitung. War nun Kopenhagen das totale Scheitern, war es gar schlimmer als gar nichts, da die Uno respektive der klimapolitische Prozess im Uno-Rahmen geschädigt daraus hervor gehen (wie etwa der Klimaaktivist Bill McKibben und die Globalisierungskritikerin Naomi Klein meinen) - oder ist der Umstand, dass Länder wie China und die USA den Klimawandel immerhin als «eine der größten Herausforderungen unserer Zeit» anerkennen (so steht's im «Copenhagen Accord», dem Dokument, das die Kopenhagener Klimakonferenz «zur Kenntnis genommen» hat), schon etwas wert? Ich war unmittelbar nach Bekanntgabe des «Accord» in der Nacht zum Samstag extrem pessimistisch, und das war auch die Stimmung im Konferenzgebäude in jener Nacht. Auch in der Schweizer Delegation, vom technischen Delegationsleiter bis zum Mediensprecher, sprachen die langen Gesichter eine ganz andere Sprache als tags darauf Bundesrat Leuenberger in den Medien.
Blog von der Klimakonferenz Kopenhagen 14 Uhr. Kopenhagen Bella Center. Telefongespräch mit Robert N. Stavins an der Harvard University, Professor für internationale Beziehungen und Spezialist für Klimapolitik. Ein paar eilige Fragen, ein paar eilige Antworten, kein ausgegorenes Interview:
Blog von der Klimakoferenz in Kopenhagen Bella Center, Kopenhagen. 3 Uhr morgens. Nach Mitternacht wieder im Konferenzzentrum. Lange Gesichter überall, auch bei den Schweizer Delegierten, die ich treffe. Frustration und Müdigkeit. Und Ratlosigkeit. Der Chef der Schweizer Delegation weiß noch nicht, was genau in dem ominösen Papier drin steht.
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AutorMarcel Hänggi, Zürich Themen
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