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Die Preise für landwirtschaftliche Produkte explodieren. Doch die Ursachen des Problems liegen weder am knapper werdenden Land noch in den veränderten Essgewohnheiten der Weltbevölkerung, sagt Marcel Mazoyer. Das Problem liegt an der Marktwirtschaft an sich. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 3. April 2008 ![]() Die niederländische Bank ABM Amro warb vor einiger Zeit in ganzseitigen Zeitungsinseraten für ihre «strukturierten Finanzprodukte» im Agrarsektor: «Verschiedene Gründe sprechen für eine Investition: weltweit stagnierende Getreideanbauflächen, eine deutlich gewachsene Weltbevölkerung, veränderte Essgewohnheiten in den aufstrebenden Schwellenländern sowie die stetig steigende Nachfrage nach Biotreibstoffen.» Das sind sichere Voraussetzungen für nachhaltig steigende Preise und satte Gewinne, und es sind sichere Voraussetzungen für kommende Hungersnöte. Das Inserat ist also eine Aufforderung, mit dem Hunger zu spekulieren.
Dass Treibstoffe aus Biomasse Unsinn sind, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Nun taucht eine Pflanze auf, die nur Vorteile haben soll: Jatropha. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 21. Februar 2008 ![]() Jung und selbstbewusst lacht Elsa Pellet vom ganzseitigen Foto. Das «Pro Natura Magazin» hat die Studentin der ETH Lausanne porträtiert als eine, die sich gegen den Klimawandel engagiert: Sie hat ein Büchlein über die Ölfruchtpflanze Jatropha curcas geschrieben, die «beste der Energiepflanzen».* In einer Art Vorspann zum Büchlein tritt ein Skeptiker auf: «Na, übertreib mal nicht, wir kennen all die Mediencoups, mit denen wieder ein neues Wundermittel versprochen wird ...» Worauf die Autorin antwortet: «Und doch ist es wahr.» Interview mit Rolf Peter Sieferle, Professor für Geschichte an der Universität St. Gallen. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 22. November 2007 ![]() Vorbemerkung: Rolf Peter Sieferle, der 2016 starb, hat sich in seinen jüngsten öffentlichen Aussagen und Publikationen wie «Finis Germania» (postum 2017; laut «Tages-Anzeiger» eine «besonders perfide antisemitische Schrift») als rechtsradikaler Autor geoutet. Ich wusste, als ich Sieferle 2007 interviewte, nichts von seiner Gesinnung, und ich merkte auch nichts davon bei der Lektüre seiner umwelthistorischen Schriften oder beim Interview. Entwerten spätere unsägliche Äusserungen eines Autors das, was er früher sagte? Auf jeden Fall ist Sieferle ein Beispiel für den Umstand, der mich erschreckt, dass ein ökologisches Denken, das ich für richtig und wichtig halte, zu kulturpessimistischen bis menschenverachtenden Ansichten führen kann. Von seinem Schreibtisch der Universität St. Gallen aus sieht Rolf Peter Sieferle einen Bauernhof mit Futtersilo. Um so bodenständige Dinge wie Futter – allgemeiner: um Energie- und Materialflüsse – dreht sich die Arbeit des Historikers. Sieferle gehört zu den Begründern des Konzepts des «gesellschaftlichen Stoffwechsels». Grob lassen sich gemäss diesem Konzept in der Geschichte drei grosse Energiesysteme ausmachen: Jäger- und Sammlergesellschaften schöpften Energie aus den solaren Energieflüssen, indem sie der Natur essbare Pflanzen, Fleisch und Brennholz entnahmen. Die Agrargesellschaften griffen gezielt in diese Energieflüsse ein, bauten Pflanzen an, züchteten Tiere, stauten Flüsse. Als es im 18. Jahrhundert erstmals gelang, Steinkohle im grösseren Stil abzubauen, und die Dampfmaschine erfunden wurde, begann das fossile Energieregime. Heute deuten die hohen Ölpreise darauf hin, dass dieses Zeitalter bald vorbei sein könnte; der Klimawandel zeigt, dass es vorbei sein müsste. Doch wie könnte eine postfossile Gesellschaft aussehen?
![]() Vermutlich hat keine einzelne Person so viel dazu beigetragen, die internationale Klimapolitik zu verwässern, wie ausgerechnet der als Klimaheld gefeierte Al Gore. Als Vizepräsident der USA unternahm er alles, um die Verhandlungen auf einen Pfad zu bringen, der auch für den Kongress in Washington tragbar wäre. Trotz dieser Bemühungen ratifizierte der Kongress das Kioto-Protokoll nicht, sodass wir heute ein durch und durch US-amerikanisch geprägtes Klimaabkommen ohne die USA haben. Vor allem aber brachte Gore - gegen den anfänglichen Widerstand der EU und der meisten Entwicklungs- und Schwellenländer - eine ökonomistische Logik in die Verhandlungen ein, die heute selbst UmweltschützerInnen normal erscheint. Ausdruck davon sind die «flexiblen Mechanismen» des Kioto-Protokolls, also die Möglichkeit, Klimaschutz einzukaufen, statt das Klima selber zu schützen. In seinem Film «Die unbequeme Wahrheit» propagierte Gore schliesslich die bequeme Sicht, die Technologie werde es richten. ÖKONOMISMUS GEGEN UMWELT – Wirtschaftsministerin Doris Leuthard propagiert die «klimaneutrale» Schweiz. Was daran falsch ist. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 11. Oktober 2007 Das Bundesamt für Umwelt bewilligt die Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen, die noch gar nicht existieren. Das verstosse gegen das Gesetz, meint Greenpeace. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 4. Oktober 2007 Am 3. September [2007] hat das Bundesamt für Umwelt (Bafu) drei wissenschaftliche Experimente mit gentechnisch verändertem Weizen im freien Feld bewilligt. Es handelt sich um Versuche der ETH und der Universität Zürich, die den Kern des Nationalen Forschungsprogramms 59 (NFP 59) zu «Chancen und Risiken der Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen» bilden (siehe WOZ Nr. 23/07).
Vergangene Woche hat Greenpeace, zusammen mit anderen Umwelt- und Bauernorganisationen, das Bafu aufgefordert, den Entscheid rückgängig zu machen, da er gegen das Gentechnikgesetz verstosse. Vor 700 Jahren begann die Zerschlagung des Ordens der Tempelritter – einer der mächtigsten Organisationen ihrer Zeit. Damit nahm eine Verschwörungstheorie um das Streben nach der Weltherrschaft ihren Lauf, die noch heute durch viele Köpfe geistert. – «Der kleine Bund» vom 22. September 2007 Im Morgengrauen des 13. Oktobers öffneten Vertreter der königlichen Macht in ganz Frankreich Abschriften des selben Briefes. Der Brief war datiert vom 14. September, versiegelt und mit der Order versehen, das Siegel nicht vor besagtem 13. Oktober zu erbrechen. Er erhielt klare Befehle. In ganz Frankreich machten sich an diesem Morgen die Vertreter des Königs daran, Hunderte von Mitgliedern des Ordens der Tempelritter zu verhaften. Sie – Ritter, die den Türken die Stirn geboten hatten, militärische Grossmacht, Staat im Staat – liessen sich abführen ohne Widerstand. Es war die grösste Polizeiaktion, die die Welt je gesehen hatte.
Beginnen so Thriller? Beginnen so Verschwörungstheorien? Die Politologie hat die Grafik entdeckt. Doch die beliebten Diagramme sind mit Vorsicht zu geniessen. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 6. September 2007 ![]() Plötzlich diese Übersicht. Spinnennetzgrafiken zeigen auf einen Blick, wo die Kandidatin steht. Ranglisten zeigen, wer der Liberalste ist. Diagramme zeigen, wie sich die Gewichte im Parlament verschieben. Plötzlich diese Definitionsmacht. Michael Hermann ist Geograf an der Uni Zürich. Er hat mit Kollegen der Universitäten Zürich und Bern die politischen Diagramme und Ratings zur Perfektion entwickelt. Der «Tages-Anzeiger» verwendet sie, die NZZ und «Le Temps» greifen darauf zurück. PolitikerInnen von links bis rechts stellen das Spinnennetz ihres Profils auf ihre Website. Für die «NZZ am Sonntag» erkürt Hermann die liberalsten NationalrätInnen, und im «Magazin» erklärt er, dass es in der Schweiz keinen Rechtsrutsch gegeben hat. ÖKOLOGISCHE ÖKONOMIE – Es gibt eine Wirtschaftswissenschaft jenseits von Kosten-Nutzen-Analysen und Wachstumsglaube. Sie hat mehr Fragen als Antworten. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 28. Juni 2007 Leipzig im Juni ist voll von Lindenblütenduft, das Wetter ist prächtig, und das Bach-Festival bietet Erstklassiges. Im Hörsaal des Umweltforschungszentrums fordert eine Referentin: «Wir brauchen eine Kultur der Faulheit.» Die ZuhörerInnen applaudieren, aber statt sich unverzüglich in einem Leipziger Park faul ins Gras zu legen, schwärmen sie zu den nächsten Vorträgen.
Ein neuer Forschungszweig entsteht – die synthetische Biologie. Wie präsentiert sie sich der Öffentlichkeit? Bis jetzt sehr ungeschickt. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 28. Juni 2007 ![]() Vom 24. bis zum 26. Juni traf sich an der ETH die Forschungsgemeinde der synthetischen Biologie zu ihrem dritten internationalen Kongress. Die synthetische Biologie ist ein junger Zweig der Biotechnologie. Sie versucht, Organismen künstlich herzustellen, die beispielsweise als Bioreaktoren Medikamente und andere Stoffe produzieren sollen. WOZ-Redaktor Marcel Hänggi referierte auf Einladung des Forums Genforschung der Schweizerischen Akademie der Naturwissenschaften (SCNAT) über «Die Wahrnehmung der synthetischen Biologie in der Öffentlichkeit». Wir publizieren einen Auszug aus seinem Referat. Der Handel mit CO2-Emissionsrechten gilt vielen als Königsweg zur Emissionsreduktion. Wie funktionert der Handel? Was bringt er? Was sind seine Nachteile? Eine dreiteilige Serie in der «WOZ Die Wochenzeitung». Teil I: Gerecht geht nicht (WOZ vom 29. März 2007) Wer Emissionsbegrenzungen mit einem Markt verbindet, ermöglicht effizienteren Klimaschutz. Sagt die Theorie. Die ersten Erfahrungen lassen zweifeln. Link zum Artikel Teil II: «Klimaschutz kann Ihr Klima gefährden» (WOZ vom 5. April 2007) Klimaschädigende Emissionen können kompensiert werden. Wirklich? Was genau kaufen wir eigentlich, wenn wir «Kompensationen» kaufen? Link zum Artikel Teil III: Der Preis der Verschmutzung (WOZ vom 12. April 2007)
Emissionshandel erscheint heute als zwingend in der Klimadiplomatie. Dabei ist er einer ganz bestimmten Ideologie verpflichtet. Man könnte auch anders. Link zum Artikel Anfang Februar erscheint der erste Teil des neuen IPCC-Berichts, der den Wissensstand der Klimaforschung darlegen will. Wie lösen die ForscherInnen diesen Anspruch auf einem politisch umkämpften Feld ein? – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 25. Januar 2007 ![]() Am kommenden 2. Februar wird die Weltöffentlichkeit an einer Pressekonferenz in Paris über den aktuellen Stand des Wissens über den Klimawandel informiert. Es lädt ein: die Arbeitsgruppe I des International Panel on Climate Change (IPCC). Das IPCC hat sich die Aufgabe gestellt, periodisch – nunmehr zum vierten Mal seit 1990 – einen Überblick über das Wissen einer gesamten wissenschaftlichen Disziplin zu erstellen. Geht das überhaupt? Lässt sich ein Konsens einer gesamten Disziplin finden, noch dazu auf einem politisch so umstrittenen Feld wie der Klimaforschung? Ist die Konsenssuche der Disziplin nicht abträglich, da nur Dissens die Wissenschaft voranbringt? Sie waren Händler, Fabrikanten, finanzierten den englischen Staatshaushalt und die neapolitanische Armee: die italienischen Multis des 14. Jahrhunderts. Doch dann kam es zum grossen Knall. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 04. Januar 2007 sowie (gekürzt): «Die Zeit» Nr. 40/2008 ![]() Hätten sie die Mentalität des 20. Jahrhunderts gehabt und wäre es nicht verboten gewesen, sich das Leben zu nehmen (es war auch verboten, Zins zu nehmen, aber dieses Verbot liess sich leichter umgehen) – es hätten sich in den 1340er Jahren vielleicht einige Bardi, Peruzzi oder Acciaiuoli vom Baugerüst des Campanile in die Gassen der Finanzmetropole Florenz gestürzt – so, wie VerliererInnen des «Schwarzen Freitags» von 1929 aus Bürohochhäusern von Manhattan sprangen. Die Welt erlebte den umfassendsten Bankencrash der Geschichte. Zwischen Ende 1343 und Anfang 1346 gingen die drei grössten Finanzdienstleister der Christenheit, allesamt mit Hauptsitz in Florenz, bankrott. Während der zwei Jahrzehnte zuvor hatten bereits eine Reihe kleinerer und mittelgrosser Häuser den Geist aufgegeben. Das Nationale Forschungsprogramm 59 hätte das Freisetzungs-Moratorium nutzen können, um Risiken zu evaluieren. Aber das war wohl gar nie erwünscht. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 23. November 2006 Die Weichen für die offizielle Schweizer Biosicherheitsforschung der nächsten Jahre sind gestellt. Ende Oktober entschied die Leitung des Nationalen Forschungsprogramms 59 «Chancen und Risiken der Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen» (NFP 59), wer zur Einreichung eines Projektantrags eingeladen wird. ![]() Präsident Ernst Hafen will die ETH zur «weltbesten naturwissenschaftlich-technischen Universität» machen. Bis jetzt hat er vor allem seine Untergebenen verärgert. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 28. September 2006 Gut fünf Wochen nach Erscheinen dieses Portraits in der WOZ trat Ernst Hafen unter Druck der Professorenschaft als Präsident der ETH Zürich zurück. Dieses Portrait war der einzige kritische Text über Ernst Hafen in der Schweizer Presse bis unmittelbar vor Hafens Rücktritt. Der Text wurde 2007 mit dem Zürcher Journalistenpreis ausgezeichnet. Von einer angekündigten Revolution soll die Rede sein und von ihrem Revolutionär. Sowie von der dereinst «besten naturwissenschaftlich-technischen Hochschule der Welt». Zuerst aber ein bescheidenerer Superlativ: Die bekannteste Angehörige der ETH Zürich war diesen Winter Daniela Meuli. Die Sportstudentin gewann in Turin olympisches Gold. Ernst Hafen, ETH-Präsident seit dem 1. Dezember 2005, nannte in einer Rede anlässlich der ersten hundert Tage im Amt drei Punkte, die ihm gezeigt hätten, dass seine Schule top sei. Der dritte Punkt war Meulis Gold. «Es liegt in der Natur des Menschen, dass er immer vergleicht, und auch die Unis werden verglichen. So problematisch Ranglisten sein können, sie spielen in der Visibilität der Hochschule eine wichtige Rolle. Der Vergleich mit dem Sport liegt da natürlich auf der Hand.» Ein kleines Forschungsinstitut kämpft gegen die Macht der Agrokonzerne – mit den Waffen der ComputeranarchistInnen. – «WOZ Die Wochenzeitung» vom 21. September 2006 Die Computerwelt kannte von Anfang an Leute, die ihr ambivalent gegenüber standen: begeistert von den Möglichkeiten der Informationstechnologie, aber skeptisch, was ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft angeht. In der Gentechnologie, namentlich der Agrargentechnologie, hingegen sind ambivalente Töne kaum zu hören. Denn diese ist politisch umkämpft, und politische Debatten werden nicht mit «Ja, aber» und «Nein, aber» geführt. Allenfalls hinter vorgehaltener Hand erfährt man, wenn ein Befürworter auch Bedenken hegt, eine Gegnerin auch Chancen sieht.
Da horcht man auf, wenn einer, der vom Segen der Biotechnologie überzeugt ist, den Agrokonzernen an den Karren fährt und sie des «‹Kidnappings› der öffentlichen Wissenschaft» bezichtigt. Gemeint ist die Praxis, Entdeckungen wie etwa Genomsequenzen als «Erfindungen» zu patentieren und als Eigentum zu vermarkten: «Wir sind zutiefst überzeugt, dass die patentgeschützte monopolistische Kontrolle fundamentaler Prozesse des Lebens absolut inakzeptabel ist.» |
AutorMarcel Hänggi, Zürich Themen
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